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Interviews

Professor Dr. rer. pol. Frank Piller

Altersunabhängige Produktentwicklung

Professor Dr. rer. pol. Frank Piller

Frank Piller ist Professor für Management und Leiter des Instituts für Technologie- und Innovationsmanagement (TIM) an der RWTH Aachen sowie des Instituts für Unternehmenskybernetik (ifu e.V.), ein An-Institut der RWTH Aachen und AIF-Forschungsstelle.

Herr Prof. Piller, Innovationen werden regelmäßig für die Altersgruppe „xplus“ entwickelt. Sie sind 1969 geboren und damit Teil des „50plus-Marktes“. Fühlen Sie sich als Marktteilnehmer, als Angehöriger der Zielgruppe „50plus“?

Ein ganz klares Nein. Ich habe mich noch nie als Teilnehmer eines bestimmten Marktes gefühlt. Durch meine umfassende Forschung zum Thema Individualisierung und Mass Costumization weiß ich, dass es häufig nicht die soziodemografischen Eigenschaften, also Alter, Geschlecht, Wohnort usw. sind, die einen Konsumenten bestimmen, sondern das, was wir Involvement nennen. Das Interesse an einem Thema, wie wichtig uns das ist. Und das ist in vielerlei Hinsicht wirklich altersunabhängig.

Wie bewerten Sie diese Ausrichtung auf ein Lebensalter? Ist dies der Weg zu passenden Angeboten oder gibt es andere Merkmale, an denen sich Entwickler orientieren sollten?

Entwickler sollen sich vor allen Dingen an den ungelösten Problemen der Kunden orientieren. Die Frage ist doch: Was sind ihre latenten Probleme? Da gibt es bestimmt auch Probleme, die mit dem Lebensalter zusammenhängen, weil man z. B. körperlich eingeschränkter ist. Aber auch da sind wieder nicht alle Menschen gleich. Und eine der größten Erfolgsweisheiten im Innovationsmanagement ist es zu schauen, wo ungelöste, häufig vom Kunden gar nicht wahrgenommene Probleme sind. Nicht ohne Grund gibt es ja die Idee des Universal Designs. Ein Design, ein gutes Produktkonzept, das es für jeden, der in der Zielgruppe ist, nutz- und anwendbar macht.

Wenn man sich Seniorenprodukte anschaut, fallen regelmäßig „big buttons“ und „barrierefreie“ Lösungen ins Auge. Haben Entwickler aus Ihrer Sicht ein zu einseitiges Bild auf „das Alter“, einen „Altersbias“?

Das ist eine interessante Frage, die ich als Wissenschaftler nicht eindeutig beantworten kann, da hier entsprechende Studien fehlen. Aber ich glaube schon, dass es sehr häufig junge Menschen sind, die Produkte für vermeintlich ältere Menschen entwickeln und die dann die Einschränkungen durch das Alter im Fokus haben. Auf der anderen Seite sieht man, dass sehr viele ältere Menschen sich diese Produkte eben nicht kaufen, wenn sie die freie Wahl haben, sondern Produkte, die ihnen näher liegen, auch wenn diese Produkte für vermeintlich jüngere Leute entwickelt wurden. Aber grundsätzlich haben Produkte oder Entwickler einen Bias, weil man eine Vorstellung davon hat, für wen man entwickelt. Eine gute Lösung wäre, gerade ältere Menschen im Unternehmen nicht als zu teuer oder zu umständlich zu begreifen, sondern sie in die Entwicklung aktiv mit einzubeziehen, vielleicht sogar als Chef des Entwicklerteams. Warum? Weil sie dann vielleicht aus dem Bias, wenn sie Produkte für sich selbst entwickeln, auch bessere Produkte für den Markt entwickeln.

Co-Creation und User-Innovation sind etablierte Verfahren. Funktionieren diese Methoden auch, um Produkte für ältere Menschen zu entwickeln?

Ja natürlich. Die Frage ist eigentlich unangebracht, weil wir ja eben schon festgestellt haben, dass es keinen Unterschied bei Produkten für alte und junge Menschen gibt. Also eignen sich alle Methoden gleichermaßen. Wir wissen zudem, dass viele Produkte, egal in welcher Altersstufe, in welchem Markt, in welchem Land von frustrierten Nutzern geschaffen werden. Frustrierte Nutzer können alt oder jung sein, männlich oder weiblich oder was auch immer. Co-Creation und User-Innovation sind eben Methoden, um diese Menschen einzubeziehen, ihnen eine Plattform zu geben, z. B. durch einen Ideenwettbewerb, einen Online- oder Offline-Hackerton oder andere Formate im LivingLab, und auch das funktioniert komplett unabhängig vom Alter. Vielleicht gilt auch hier, was eine Grundregel im Innovation-Management ist: Richtig erfolgreiche Produkte und Co-Creation-Prozesse werden von interdisziplinären Teams gemacht, und Interdisziplinarität heißt nicht nur verschiedene disziplinäre, also funktionale Hintergründe, sondern eben auch verschiedene Erfahrungsstufen im Leben. So erfahre ich als 50plus-Professor sehr viel Neues von meinen Studierenden, aber gleichzeitig hoffe ich, dass meine Studierenden auch etwas von mir lernen können. Zusammen sind wir besser und können bessere Forschung machen, und ich glaube, dasselbe gilt auch für Co-Creation.

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