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Interviews

Ingo Froböse

Sport & Alter

Prof. Dr. Ingo Froböse

Ingo Froböse ist Universitätsprofessor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er ist dort Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation.

Herr Prof. Dr. Froböse, als Professor für Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule in Köln beschäftigen Sie sich schon lange mit Gesundheit und Wohlbefinden im Zusammenhang mit Sport & Bewegung. Sie sind Autor zahlreicher Veröffentlichungen Bücher zu diesem Themenkomplex.
Die Menschen in den Industrieländern leben nicht nur immer länger, auch die gesunden Jahre nehmen merklich zu. Was sind die Gründe für diese positive Entwicklung?

In der Tat leben Menschen in Industrieländern in den letzten Jahrzehnten immer länger. Im Schnitt ungefähr 80 Jahre, Frauen immer noch zwei/drei Jahre länger. Das liegt daran, weil wir natürlich bessere hygienische Voraussetzungen haben, eine geringere Kindersterblichkeit und vor allem natürlich auch eine bessere akute medizinische Betreuung. Das Problem ist allerdings, dass dies nicht einhergeht mit einer höheren Lebensqualität. Denn wir stellen fest, dass Menschen zwar länger leben, aber auch durch ihren Lebensstil, durch zu viel Zucker und ungesunder Ernährung sowie durch zu wenig Bewegung deutlich früher chronisch krank werden. So leben beispielsweise Menschen in Skandinavien nach dem 60sten Lebensjahr noch 17 bis 19 Jahre mit hoher Lebensqualität und ohne größere körperliche Gebrechen, in Deutschland allerdings nur 7 bis 9 Jahre. Daran erkennt man schon, dass es sehr stark davon abhängt, wie viel Wert auf die Prävention gelegt wird, und da sind wir in Deutschland einfach schlecht. Wir haben zwar eine hohe akute medizinische Versorgung und wir betreuen auch chronische Erkrankungen sehr gut, ohne sie aber wirklich an der Ursache/der Wurzel zu packen. Dementsprechend heißt es für uns in Deutschland: Wir leben zwar länger, das ist aber eben nicht mit höherer Lebensqualität verbunden.

Was kann Sport bzw. Bewegung leisten, damit wir möglichst lange gesund leben?

Sport und Bewegung kann natürlich für diese höhere Lebensqualität sorgen und auch das Leben verlängern. Wir wissen, dass Sportler in der Regel 4 bis 6 Jahre länger leben, weil sie eine höhere Fitness haben. Sie tun ganz viel für ihr Herz-Kreislauf-System, für den Stoffwechsel, für die geistige Leistungsfähigkeit, weil sie eine bessere Durchblutung haben sowie bessere Aufbau- und Umbauprozesse. Sie haben darüber hinaus viele präventive Faktoren gegen die größten Risikofaktoren in unserer Gesellschaft So wird das Krebsrisiko durch Sport und Bewegung in der Prävention deutlich positiver beeinflusst, das gleiche gilt für die Risiken für Herzinfarkt und Schlaganfall oder auch Diabetes. Das heißt also, Sport und Bewegung können präventiv für alle inneren Organe eine große Wertigkeit haben, denn nur was genutzt wird, entwickelt sich, was ungenutzt bleibt verkümmert. Wir vermeiden damit also die ganzen chronischen, lebensstilbedingten Erkrankungen.

Man findet immer mehr Sport- und Bewegungsangebote für Menschen „xplus“, z. B. 50plus oder 60plus. Ist es sinnvoll, das Angebot am Alter eines Menschen auszurichten, oder gibt es andere Parameter, die sinnvoller sind?

Braucht es spezielle Programme für 50plus? Nein, braucht es nicht. Es hängt von den Anforderungen und Fähigkeiten ab. Ich kenne 30-Jährige, die wirklich schon Altersprogramme benötigen würden. Aber von der Ansprache her sind 30-Jährige eher durch Event-Erlebnisse und spaßbringende Dinge anzusprechen, während ältere Herrschaften eher über den Kopf kommen, also Vernunft, sie wissen, dass es sich lohnt etwas zu tun. Wichtig ist, dass wir uns bei den Angeboten eben nicht am Alter ausrichten müssen, sondern an der Leistungsfähigkeit der Menschen. Hierbei ist für mich die Herz-Kreislauf-Funktion von besonderer Bedeutung. Sie definiert die Leistungsfähigkeit des Herzens und kann sehr schön auf dem Fahrradergometer bestimmt werden. Wenn man dann ganz grob – das ist zwar eine Altersorientierung, aber für die Breite passt das ganz gut – im Zuge von Ausdauer von 180 Minus Lebensdauer auf der Laufstrecke oder auf dem Fahrrad unterwegs ist, macht man alles richtig. Nur wenn man trainiert ist, ist das Alter völlig egal, dann kann man noch deutlich höhere und größere Belastungen tolerieren. Für mich wird die Größe der Muskelmasse im Körper immer wichtiger. Männer sollten 40 Prozent haben, Frauen 35. Die Muskelmasse als größtes Stoffwechselorgan ist einer der wichtigsten Parameter, auf den die Ärzteschaft meines Erachtens viel zu wenig oder gar nicht schaut. Aber sie hält letztendlich die Lebensqualität hoch, weil sie der Stimulator für viele inneren Organe ist, selbst fürs Gehirn, und da sollte man viel aufmerksamer hingucken.

Ihr Buch „Die Gesundheitsformel der 100-Jährigen“ beschäftigt sich mit den gesündesten und ältesten Menschen der Welt. Was ist das Erfolgsrezept, um 100 Jahre alt zu werden, und verbunden damit die Frage: Ist es irgendwann zu spät, um mit einem gesunden Lebensstil anzufangen?

In der Regel kommen diese Menschen nicht aus Industrienationen, sondern sind Bewohnende von Dörfern und Ortschaften, die sprichwörtlich in der Pampa liegen. Aber diese Menschen haben vernünftige Lebensmittel, kein Industriefood, und das ist eine ganz wichtige Größe. Sie essen nicht zu viel, aber wenn sie essen, dann mit hoher Qualität. Sie trinken ein wenig Alkohol, aber auch das in Maßen. Sie sind glücklich und optimistisch, sind in soziale Strukturen eingebunden, haben Familie und Freunde relativ nah bei sich, gehen in der Regel ein Leben lang einer Aufgabe, manchmal sogar einer Arbeit nach. Sie bewegen sich sehr viel, weil sie viele Tätigkeiten realisieren, z. B. in der Landwirtschaft oder einen eigenen Garten bzw. ein Feld bewirtschaften. Aber vor allen Dingen lassen sie auch schonmal Muße zu, sind entspannt und gelassener und deutlich weniger gestresst, weil sie auch in einem anderen Umfeld leben. Das bedeutet also, sie haben einen besseren Lebensstil und der ist für ein langes Leben ganz entscheidend. Was wir hier bei uns erleben, ist mit einer sehr stressbelasteten ungesunden Lebensweise verbunden.

Fitnesstracker werden immer beliebter und viele Smartphones haben mittlerweile auch eine Vielzahl von Sensoren verbaut, die Vitaldaten messen. Wie gut können diese Messwerte den Nutzern bei einem gesunden Leben unterstützen?

Breitensportler erfahren damit zu Beginn, wie viel sie sich bewegen und bekommen so eine gewisse Orientierung über ihre Aktivitäten. Für Spitzensportler sind es natürlich Trainingsgeräte, Trainingsinformationen, die sie benötigen.

Der normale Fitness- und Breitensportler braucht eigentlich keinen Fitnesstracker. Von all den Messwerten, die man messen kann, wenn man sie denn auch richtig misst, ist der einzig sinnvolle Wert die Herzfrequenz. Sie ist ein guter Steuerungsparameter für meine Ausdauertrainingsbelastung. Abgesehen davon brauche ich keine weiteren Werte. Ich brauche keine Temperaturmessung, ich brauche keine Schlafbestimmung, ich brauche keine Sauerstoffsättigung, weil die allermeisten Menschen diese Daten nicht richtig deuten können. Man sollte Menschen keine Messwerte geben, die sie nicht verstehen und interpretieren können und schon gar nicht brauchen. Eine Smartwatch suggeriert eine EKG-genaue Erfassung meiner Herzfunktion, das macht mich ja eher verrückt, als dass es mir hilft, wenn ich die Werte nicht richtig interpretieren kann.

Fazit: Es sind viele Sensoren eingebaut, die Vitaldaten messen, aber ich brauche diese nicht, wenn ich auf mich selber höre, die Bedürfnisse meines Körpers kenne und mich so einfach besser einschätzen kann. Körperwahrnehmung steht hier im Mittelpunkt, die Stimme des Körpers wieder zu verstehen, das sollte man lernen. Da hilft und unterstützt der Tracker, aber er ersetzt sie nicht.

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