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Interviews

Prof. Dr. Höpflinger

Großeltern werden

Prof. Dr. phil. François Höpflinger

Der Soziologe forschte an der Universität Zürich während Jahrzehnten zu Alters- und Generationenfragen und ist unter anderem Mitglied der Leitungsgruppe des Zentrums für Gerontologie.

Herr Prof. Höpflinger, Großeltern werden und sein scheint ja eine der angenehmen Rollen im Leben zu sein. Welche Veränderungen sehen Sie bei den Babyboomern? Sind sie andere Großeltern als die Generationen vor ihnen?

Da die Babyboom-Generation weniger Kinder zur Welt brachten als die Elterngeneration, haben sie insgesamt weniger Enkelkinder als frühere Generationen. Auch der Anteil an kinderlosen Babyboomer ist in Deutschland beträchtlich (wodurch sich der Anteil von Personen, die überhaupt Enkelkinder haben, reduziert hat). Da die Kinder der Babyboomer häufig eher spät eine Familie gründeten, hat sich auch das Alter bei der Geburt eines ersten Enkelkindes erhöht. In drei weiteren Bereichen unterscheiden sich die Großeltern der Babyboom-Generation von früheren Generationen:

Mehr Frauen als früher sind bei der Geburt eines ersten Enkelkindes noch oder erneut erwerbstätig. In einigen Fällen führt Enkelkind-Betreuung zu einer vorzeitigen Pensionierung. Zunehmend ist aber eine regelmäßige Kleinkindbetreuung aus beruflichen Gründen nicht möglich (und Großeltern kümmern sich primär während ihren Ferien um Enkelkinder).

Eine höhere Scheidungshäufigkeit hat zu mehr alleinstehenden Großeltern sowie zu mehr Stiefgroßeltern beigetragen. Ein Auseinanderfallen von biologischer und sozialer Großelternschaft wurde häufiger. Die Hauptwirkung einer Scheidung ist allerdings, dass sich die Beziehungen zu den Großeltern mütterlicherseits intensiver werden, wogegen die Beziehungen zu den Großeltern väterlicherseits lockerer werden, wenn nicht sogar ganz auflösen.

Zuwanderung sowie die Globalisierung des Arbeits- und Partnerschaftsmarktes haben zu mehr geografisch getrennten Generationenbeziehungen beigetragen und der Anteil an Enkelkindern mit Großeltern außerhalb Deutschlands hat sich klar erhöht. Bei geografisch getrennten Beziehungen konzentrieren sich Enkelkind-Großeltern-Kontakte auf Ferienzeiten oder Familienfesten bzw. neu stark auf digitale Kontaktformen. Dazu kommt, dass immer mehr Enkelkinder binationale Verwandtschaftsnetze aufweisen (z. B. Großeltern in der Türkei, eingewanderte und eingebürgerte Eltern und voll deutsch orientierte Enkelkinder).

Was die Beziehungsqualität zwischen Enkelkinder und Großeltern betrifft, hat die erhöhte gesunde Lebenserwartung der Babyboomer (die auch im Rentenalter oft noch lange gesund verbleiben) zu einer klar aktiveren Gestaltung der Enkelkind-Großeltern-Beziehung geführt (wie gemeinsames wandern, reisen, sportliche Aktivitäten usw.). Neuere Studien deuten darauf hin, dass neue Generationen von Großeltern den Umgang mit den Enkelkindern häufiger als früher gezielt als ‚sozialen Jungbrunnen‘ nutzen, das heißt im Umgang mit heranwachsenden Enkelkindern können ältere Frauen und Männer aktiv an neuen sozialen Trends teilnehmen (und sich z. B. via Enkelkinder digital aufrüsten).

Großeltern sind ja bekannt dafür, dass sie ihre Enkel verwöhnen. Gilt dies auch für die Omas und Opas der Babyboomer-Generation, oder geben diese lieber das Geld für sich aus?

Armut bei der älteren Bevölkerung ist immer noch häufig, aber Zahl und Anteil gut situierter bis wohlhabender Großeltern der Babyboom-Generation haben sich in vielen Regionen Deutschlands (und der Schweiz) markant erhöht. Es sind Großeltern, die sowohl viel Geld für sich ausgeben können (auswärts essen, reisen) als auch noch teure Geschenke für (oft nur wenige) Enkelkinder ausgeben können. In einigen Regionen Deutschlands und der Schweiz ist der Anteil an wohlhabenden Rentnern (die z. B. über ein Eigenheim verfügen) deutlich höher als der Anteil an wohlhabenden jungen Familien.

Neue Studien zeigen, dass selbst einkommensschwächere Rentner und Rentnerinnen gegenüber ihren Nachkommen (eigene Kinder, Enkelkinder) überraschend großzügig sind. Der sozialpolitische Generationenvertrag von Jung zu Alt (Erwerbstätige finanzieren Renten der älteren Menschen) wird familial durch einen beträchtlichen familialen Generationenvertrag von Alt zu Jung ergänzt (etwa durch Darlehen und Unterstützung der Nachkommen, durch Betreuung in Krisenzeiten usw.). Familiale Generationensolidarität ist weiterhin ausgeprägt, speziell auch in Krisenzeiten.

Mit der neuen Rolle gibt es ja zahlreiche weitere neue „Mitstreiter“. Wo sehen Sie das größte Konfliktpotenzial? Mit dem Lebenspartner, sprich der Oma und Opa im eigenen Haushalt, den „anderen Großeltern“, sprich den Schwiegereltern des eigenen Kindes oder aber mit den Eltern des neuen Familienmitgliedes?

Die häufigsten Stolpersteine sind schlechte Beziehungen zu den eigenen Kindern oder die fehlende Akzeptanz des Partners bzw. der Partnerin der erwachsenen Kinder. Beziehungsprobleme mit den eigenen Kindern und den (Ehe)-Partnern verhindern enge Beziehungen zu den Enkelkindern (weil der Zugang zu den Enkelkindern von den Eltern bestimmt wird, speziell im Säuglings- und Kleinkindalter). Gute Großelternschaft beinhaltet eine Drei-Generationen-Beziehung (und auch intensive Enkelkind-Betreuung muss immer auch mit den Eltern abgesprochen werden), da die Erziehungsverantwortung eindeutig bei den Eltern liegt. Bei Auslandsreisen mit Enkelkindern verlangen beispielsweise viele Länder eine unterschriebene Einverständniserklärung der Eltern.

Generell gilt für positive Großelternschaft das Prinzip von ‚Engagement ohne Einmischung‘ (d. h. sich für Enkelkinder zu engagieren, ohne sich aber zu stark in das Leben der jungen Familie einzumischen).

In vielen heutigen Familien gibt es mehr Großeltern als Enkelkinder. Speziell bei der Geburt eines ersten Enkelkindes sind es vielfach vier Großeltern, die sich über den Säugling bücken. Gute Kontakte mit den anderen Großeltern kann Konflikte bzw. einen Wettbewerb um Zuneigung verhindern.

Wie bzw. mit wem bereitet man sich am besten auf die neue Rolle vor, wenn das erste Enkelkind erwartet wird?

In einigen größeren Städten werden Vorbereitungskurse zu Großelternschaft angeboten (was speziell für Großväter, die sich früher aus beruflichen Gründen nicht um Säuglings- und Kleinkindpflege gekümmert haben, nützlich sein kann.

Sinnvoll ist es, wenn zukünftige Großeltern mit den zukünftigen Eltern das Thema ansprechen und diskutieren: Was sind die Erwartungen der jungen Eltern an die Großeltern? Was können und wollen die Großeltern an Enkelkind-Betreuung leisten? Auf jeden Fall ist es wichtig, die gegenseitigen Erwartungen und Bedürfnisse frühzeitig abzuklären.

Was an Betreuung möglich ist, hängt von vielen Einzelfaktoren ab (Wohndistanz, Gesundheit der Großeltern, berufliche Verpflichtungen beider Generationen usw.). 

Was insgesamt wenig hilft, sind ungewünschte Ratschläge an die Eltern zu Kindererziehung bzw. die Übertragung der eigenen Erfahrungen als junge Eltern auf heutige Säuglingspflege und Kindererziehung (da sich die Werte und Normen zur Familie und zur Erziehung stark gewandelt haben).

Wenig hilfreich sind auch zu langfristig angelegte Pläne, da sich die Situation einer jungen Familie nach der Geburt und mit dem Älter-Werden des Enkelkindes immer wieder verändert). Heute übernehmen viele Großeltern für junge Familien die Funktion einer ‚Reservekapazität‘, d. h. sie springen ein, wenn besondere Situationen (Erkrankung der Eltern, lange Schulferien oder ungeplante Schließung einer Kindertagesstätte) es erfordern. Flexibilität auch seitens der Großeltern wird in einer beruflich dynamischen Welt zentral.

Ein vorgängig gutes Verhältnis zu Tochter, Sohn, Schwiegertochter und Schwiegersohn erleichtert viel, ebenso aber auch eine flexible und offene Haltung zum Umgang mit Enkelkindern. Vor allem im Schulalter wird die Enkelkind-Großeltern-Beziehung auch vom Enkelkind mitbestimmt. 

Hat, bzw. wie hat die Digitalisierung die Verbindung zwischen Großeltern und Enkeln verändert und wo liegen die Herausforderungen einer „digitalen Großelternschaft“?

Generell zeigen alle neueren Studien (ebenso wie die Erfahrungen der Lockdown-Perioden während der Covid-19-Pandemie), dass digitale Kontakte auch für ältere Menschen eine positive Wirkung haben, vor allem, wenn dadurch schon vorhandene persönliche Beziehungen gestärkt werden. In den letzten Jahren haben sich viele ältere Menschen digital aufgerüstet, um auch mit entfernt lebenden Enkelkindern Kontakte zu pflegen. Bei Großeltern im Ausland konzentrieren sich die persönlichen Kontakte auf Familienfeste und Ferienzeiten, aber durch digitale Kommunikationsformen sind auch Kontakte dazwischen möglich. Großeltern können digital teilweise besser mit Teenager-Enkelkinder und erwachsenen Enkelkindern regelmäßige Kurzkontakte pflegen (etwa während eines Auslandsaufenthalts). Digitale Kontakte können gerade auch für wenig mobile alt gewordene Großeltern wertvoll sein (weil sie damit von zu Hause mit jungen Menschen Kontakte pflegen können). Wie erwähnt, sind digitale Kontakte zentral zur Unterstützung schon vorhandener sozialer Beziehungen (und nicht als Ersatz).

In nicht wenigen Orten wurden und werden ältere Menschen durch junge Menschen in die digitale Welt eingeführt (und nicht selten lernen Omas und Opas von ihren Enkelkindern).

Die zentrale Herausforderung ist, dass auch ältere Menschen offen sein müssen für neue (technologische) Entwicklungen und nicht zu vergangenheitsorientiert verbleiben.

Unsere umfassenden Informationen zur Stage Großeltern finden Sie hier.

Quellen:

Höpflinger, François (2016) Grosselternschaft im Wandel – neue Beziehungsmuster in der modernen Gesellschaft, Analysen & Argumente 209, Juli 2016, Konrad-Adenauer-Stiftung: Sankt Augustin.

Höpflinger, François (2022) Familie und Großeltern. In: Jutta Ecarius, Anja Schierbaum (Hrsg.) Handbuch Familie. Band 1: Gesellschaft, Familienbeziehungen und differentielle Felder, Wiesbaden: Springer VS (2. Auflage): 493-510. 

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